Elektrohandwerk

"Neue Freiräume schaffen, um wettbewerbsfähig zu bleiben"

13. April 2021, 12:46 Uhr | Interview: Sabine Narloch
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Handwerksberufe wandeln sich im Zuge der Digitalisierung. Das zeigt sich auch im Elektrohandwerk. Über die Veränderungen, die nicht nur die Arbeit selbst, sondern auch die Zusammenarbeit mit dem Kunden betrifft, spricht Andreas Dörflinger vom ZVEH im Interview mit Smarthouse Pro.

Smarthouse Pro: Digitale Transformation, smarte Anwendungen, Building Information Modeling, also eine vernetzte Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden per Software – was sind die Treiber des Wandels in der Elektro-Branche?

Andreas Dörflinger: Die Digitalisierung ist extrem vielschichtig und komplex. Und sie verläuft in einem Tempo, das schnelle Reaktionen verlangt. Die genannten Punkte sind allesamt Treiber der Digitalisierung. Das gilt insbesondere für Building Information Modeling, das große Auswirkungen auf Prozesse im Bereich Bau/Installation haben wird, weil es eine ganz neue Art der Zusammenarbeit von Gewerken am Bau bedeutet. Spannend zu beobachten ist aber auch, dass nicht zuletzt aufgrund der Daten, die überall dort generiert werden, wo smarte Anwendungen zum Einsatz kommen, ganz neue digitale Geschäftsmodelle entstehen werden. Dazu zählen auch sogenannte „After Sales Services“ wie beispielsweise die datengestützte Wartung und Betreuung von vernetzten Systemen oder Maschinen. In solchen neuen Angeboten steckt enormes Potenzial für alle Beteiligten entlang des dreistufigen Vertriebs. Unser Ziel ist es, dass elektrohandwerkliche Betriebe künftig volldigital arbeiten können. Um diese Vision schnellstmöglich Realität werden zu lassen, hat der ZVEH das „Netzwerk Digitalisierung geschaffen“, das ich als Bundesbeauftragter leite.

Andreas Dörflinger, ZVEH
Andreas Dörflinger, Bundesbeauftragter für Digitalisierung beim Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH)
© ZVEH

Smarthouse Pro: Wie verändert sich durch die Digitalisierung der Arbeitsalltag von Unternehmen und Installateuren im E-Handwerk konkret?

Dörflinger: Der digitale Markt verändert das Kaufverhalten der Kunden enorm. Es ist noch gar nicht so lange her, dass die meisten Kunden, wenn sie einen Elektrofachbetrieb suchten, das Telefonbuch zur Hand nahmen. Oder sie wurden durch Mundpropaganda fündig. Heute sucht der Kunde seinen Fachhandwerker online. Dabei sorgen neue digitale Dienstleistungsplattformen, darunter auch Angebotsplattformen, für immer mehr Wettbewerb. Dieser Entwicklung müssen sich die Elektrofachbetriebe stellen und sie müssen darauf am besten mit eigenen digitalen Konzepten reagieren. Einen großen Wandel in der Wertschöpfung wird das Thema
„After Sales“ bringen. Die Elektroanlage benötigt normalerweise zwar relativ wenig Pflege. Doch das wird sich ändern, denn in smarten Gebäuden sind Softwareupdates nötig und es wird deutlich mehr Entstörungsanfragen geben. Dazu müssen wir zusammen mit der Industrie Lösungen entwickeln, die das E-Handwerk unterstützen, aber nicht fesseln.

Smarthouse Pro: Wie schätzen Sie die Zukunft für die E-Handwerke ein? Was muss sich verändern?

Dörflinger: Die Digitalisierung ist mehr als ein Trend. Sie ist eine Zeitwende mit unabsehbaren Konsequenzen für Gesellschaft, Unternehmen und Mitarbeiter. Wollen wir kurz-, mittel- und langfristig die Zukunft der Elektrohandwerke sichern, ist es unbedingt erforderlich, sich den Herausforderungen der Digitalisierung zu stellen. Und das heißt auch, dass wir analoge, über viele Jahre aufgebaute Strukturen, Prozesse und Abläufe auf ihre digitale Tauglichkeit prüfen und sie gegebenenfalls anpassen müssen. Ohne Veränderung verliert das klassische Handwerk an Attraktivität und läuft Gefahr, Dienstleistungskompetenz an die Industrie oder an andere neue Gruppierungen zu verlieren. Die Marke Elektrohandwerk muss in der Öffentlichkeit auch künftig wahrgenommen werden. Der komplette Arbeitsprozess – beginnend bei Kundenberatung über Planung und Kalkulation bis zur Inbetriebnahme inklusive Kundennachbetreuung – muss künftig medienbruchfrei und digital möglich sein. Dafür müssen Systeme viel stärker miteinander vernetzt werden. Im E-Handwerk sind wir bereits auf einem guten Weg, die Wertschöpfungskette eines Betriebes bald zu 100 Prozent digital abdecken zu können. Mit digitalen Tools zur Angebotserstellung, Planung und Dokumentation von Kundenaufträgen und Projekten und dem digitalen E-Check gibt es bereits marktfähige Produkte. Diese werden künftig ergänzt und auf einer interoperablen Datenplattform interagieren.

Smarthouse Pro: Worin liegen beim digitalen Wandel die Chancen für die E-Handwerke?

Dörflinger: Eine Riesenchance ist, dass neue digitale Produkte, insbesondere im Smart-Home-Bereich, immer mehr Fachwissen und Kompetenz erfordern. Als Fachhandwerk besitzen wir genau diese Kompetenz. Gelingt es uns, den Kunden zu kommunizieren, dass wir hinsichtlich des Produkt- wie auch des Fachwissens der richtige Ansprechpartner sind, brauchen wir keine Zukunftsängste zu haben.

Smarthouse Pro: Und welche Risiken sehen Sie?

Dörflinger: Ein Risiko liegt in der Technologie- und Produktvielfalt. Immer mehr und immer neue Technologien erfordern immer mehr Fachkompetenz. Der Smart-Home-Bereich mit seiner Vielfalt an Systemen ist ein gutes Beispiel. Die Entwicklung am Markt ist so schnell, dass sie sich nicht unbedingt im Ausbildungsrahmenplan wiederfindet. Ein anderes Risiko liegt in der sogenannten „Plattformisierung“. Die E-Handwerke könnten durch Technologie-Konzerne in ungewollte Abhängigkeiten geraten. Dem können wir nur begegnen, indem wir offene Standards schaffen und den Markt offenhalten. Die digitalen Prozesse müssen sich an den Bedürfnissen eines Handwerksbetriebes orientieren.


  1. "Neue Freiräume schaffen, um wettbewerbsfähig zu bleiben"
  2. Mehr Kompetenz- als Konkurrenzdruck

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