So lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden führen zu können, ist für viele Menschen ein dringendes Anliegen. Wie smarte Technologie dazu ihren Teil beitragen kann, zeigt das „Haus der Zukunft am ukb“ in Berlin.
Eine Künstliche Intelligenz, die Stürze vorhersehen kann und Sensoren, die warnen, wenn der Herd versehentlich eingeschaltet ist: Digitale Technologien bieten insbesondere SeniorInnen große Potenziale und können ihnen ermöglichen, lange selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden zu leben. So bieten etwa Smart-Home-Technologien, bei denen Licht, Reinigungsroboter oder Haushaltsgeräte per Stimmbefehl gesteuert werden, Hilfe im Alltag. Aber auch die häusliche Pflege kann von smarten Systemen stark profitieren, indem Pflegende bei körperlichen und organisatorischen Tätigkeiten entlastet werden.
Das zeigt auch der Leitfaden „Digitale Lösungen für das Wohnen im Alter“ des Bitkom1. Darin werden zum einen die Einstellungen von SeniorInnen gegenüber der Digitalisierung beschrieben. 80 Prozent der 65- bis 74-Jährigen stehen der Digitalisierung demnach grundsätzlich positiv gegen – und 75 Prozent der über 75-Jährigen. Zugleich wünschen sich viele aber auch persönliche Hilfsangebote im Umgang mit den Technologien und eine größere Benutzerfreundlichkeit, etwa durch einfachere Bedienoberflächen. Zum anderen nennt der Leitfaden Beispiele aus der Praxis, also konkrete digitale Anwendungen, die SeniorInnen, Pflegende sowie die Wohnungswirtschaft bereits jetzt einsetzen können, um ein längeres selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Dazu zählt etwa eine KI-basierte Sturzprävention oder auch eine IoT-Plattform, bei der Gesundheits- und Sensordaten durch Algorithmen ausgewertet werden, um Unregelmäßigkeiten im Tagesverlauf eines hilfebedürftigen Menschen zu erkennen – oder um zu überprüfen, ob dieser nicht vergessen hat, zu trinken, Medikamente zu nehmen oder Termine einzuhalten. „Insbesondere während der Corona-Zeit ist das Problem der Isolation in den Vordergrund gerückt“, betont Ariane Schenk, Bereichsleiterin Health & Pharma beim Bitkom. „Dabei sollen und können digitale Technologien Pflegepersonal oder die Zuwendung durch Angehörige nicht ersetzen – aber sie doch sinnvoll unterstützen, um die Qualität in der Pflege langfristig zu verbessern.“
Eine Einrichtung, die sich zum Ziel gesetzt hat, eben genau solche digitalen Technologien greifbar zu machen, ist das Haus der Zukunft am ukb in Berlin Marzahn-Hellersdorf (Anm.: ukb steht für Unfallkrankenhaus Berlin). Es soll so viele Menschen wie möglich dabei unterstützen, sich so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden zu erfüllen. Eröffnet wurde das Haus vor knapp einem Jahr im Juni 2021. Betrieben wird es vom gemeinnützigen Verein Smart Living & Health Center (SLHC), zu dessen Mitgliedern Unternehmen aus dem Gesundheits- und Pflegebereich, Hilfsmittelhersteller, Smart-Home-Anbieter, Handwerk, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft zählen. „Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt und die vorhandenen Pflegekräfte sind begrenzt. Daher wollte der Verein einen Ort schaffen, an dem wir aufzeigen, wie die Pflege entlastet und zugleich dem Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben auch im hohen Alter Rechnung getragen werden kann“, führt Christian Gräff, Mitgründer des Vereins Smart Living & Health Center und seit 2020 auch dessen Geschäftsführer, näher aus. Das Haus kann kostenfrei besucht werden, was laut Gräff vor allem den Fördermitgliedern des SLHC zu verdanken sei. Das Unfallkrankenhaus Berlin und der Bezirk Marzahn-Hellersdorf hätten zudem wesentlich zur Finanzierung des Baus des Hauses beigetragen.
Mit dem Haus der Zukunft am ukb werden vorrangig drei wesentliche Zielgruppen angesprochen:
Das Angebot des Hauses spiegelt wider, dass sich drei Institutionen – das Notfallsimulationszentrum des Unfallkrankenhauses, der Pflege- und Beratungsstützpunkt des Landes Berlin sowie der Verein Smart Living & Health Center – zusammengetan haben: In dem modernen Beratungs- und Informationszentrum können sich Interessierte beraten lassen und Hilfsmittel für den Alltag sowie Technik der Zukunft direkt erleben und ausprobieren. So gibt es einerseits einen Konferenz- und Veranstaltungsbereich und andererseits eine innovativ ausgestattete Wohnung. Im Veranstaltungsraum und dem Ausstellungsbereich erwarten Interessierte zum Beispiel hilfreiche Informationsangeboten. Angesprochen werden vor allem interessierte SeniorInnen und Angehörige sowie Menschen mit Einschränkungen und medizinisches Personal. Zudem werden Informationsveranstaltungen und individuelle Beratungen angeboten.
Das Highlight des Hauses ist jedoch die innovativ ausgestattete Wohnung. Hier werden Fragen direkt im Praxisumfeld beantwortet. Darunter: Wie lässt sich das Leben trotz gesundheitlicher Einschränkungen gut meistern? Was kann ich mir leisten und welche Technik wird mich in Zukunft dabei unterstützen? Die Vorzeigewohnung bietet vielfältige Produkte für alle Wohnbereiche: vom Wohn- und Schlafbereich bis hin zu Bad und Küche. BesucherInnen finden von der smarten Haussteuerung, dem Ganzkörpertrockner bis hin zu telemedizinischen Systemen eine große Bandbreite an Lösungen, die sie selbst austesten und erleben können. Im Mittelpunkt steht, wo die BesucherInnen Herausforderungen und Probleme in den eigenen vier Wänden sehen oder wo die Pflegenden notwendigen Entlastungsbedarf haben. Dabei habe man laut Gräff sowohl den Neubau als auch Bestand und Nachrüstung im Blick.
Tipp |
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Wer sich vom Haus der Zukunft am ukb vorab im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild machen möchte, kann dieses in einem 3D-Rundgang in Vollansicht im Web besuchen. Zu finden unter: www.haus-der-zukunft-am-ukb.de |
Mit Blick auf den Zugewinn durch smarte Technologien benennt der SLHC-Chef vor allem die erweiterten Nutzungs- und Zugangsmöglichkeiten. So könne die Tür nicht nur mit dem Schlüssel, sondern auch per App oder Fernzugang geöffnet werden. Das Licht könne nicht nur manuell per Schalter, sondern auch per Sprache, App oder Bewegung gesteuert werden. „Treten gesundheitliche Einschränkungen auf, gibt es immer eine alternative Möglichkeit, eigenständig in der häuslichen Umgebung zu bleiben“, betont Gräff. Gerade aus aktuellem Anlass sei auch nicht zu vernachlässigen, dass man einen umfassenden Überblick erhalte – Energieverbrauch und Luftqualität ließen sich auf diese Weise spielend leicht überwachen. Ein weiterer Punkt: Das Projekt ist herstelleroffen, also auf keine Anbieter beschränkt. „Es gibt hier keine Festlegung. Ganz im Gegenteil“, fügt Christian Gräff an. „Wir möchten zu jedem Produkt möglichst auch Alternativen aufzeigen.“ Ausnahmen seien verständlicherweise Innovationen. Hier gebe es teilweise nur einen Hersteller, der bisher etwas erfunden habe.
Modern ausgestattete Wohnräume für ein selbstbestimmtes Leben klingen auf den ersten Blick nach High-End-Technik mit hohem Vernetzungsgrad. Dass solche Lösungen nicht an einem kleineren Geldbeutel scheitern müssen, ist ebenfalls ein Vermittlungsanliegen des Hauses. „Auch hier ist uns wichtig, möglich unterschiedliche Lösungen zu zeigen“, unterstreicht Gräff. „Smarte Lichtsteuerung muss zum Beispiel nicht teuer sein, bietet aber auch bei den grundlegenden Funktionen bereits einen großen Mehrgewinn für die Sturzprävention.“ Und auch wer Größeres im Sinn habe, wie beispielsweise eine barrierefreie Umgestaltung seines Hauses oder seiner Wohnung, könne von solchen Lösungen profitieren, indem er unterschiedliche Förderungen beantrage. Etwas, worüber man im Haus der Zukunft am ukb ebenfalls Auskunft gebe. So komme in diesem speziellen Fall sowohl der entsprechende KFW-Zuschuss als auch der Umbauzuschuss der Pflegekassen in Frage.