Funk im Smart Building

Nicht kopflos kabellos

23. März 2022, 7:00 Uhr | Autorin: Diana Künstler
© putillich / 123rf

Um aus einem Gebäude ein smartes zu machen, müssen viele Faktoren ineinandergreifen. Einer davon ist der Einsatz von Funktechnologien, deren Abdeckung und Planung bisher noch zu kurz kam. Diese und weitere Funkaspekte im Kontext „intelligentes Gebäude“ werden im Folgenden näher beleuchtet.

Die Digitale Transformation verspricht für viele Bereiche Vorteile. Auch bei Planung, Bau und Betrieb von Gebäuden ist sie inzwischen nicht mehr wegzudenken. Die immer stärker werdende Forderung nach Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Kostensenkungen erweist sich hierbei als Haupttreiber. Und das Potenzial von Smart Buildings für eine nachhaltige Entwicklung ist enorm: 2020 machten Gebäude der Europäischen Kommission zufolge in der EU etwa 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen aus. Da es jedoch an einer einheitlichen Definition beziehungsweise einem einheitlichen Referenzsystem zur Orientierung mangelt, besteht oft Unklarheit bezüglich der Bedeutung von „Smartness in Gebäuden“. Daraus resultiert laut Erkenntnissen eines BVDW-Whitepapers, dass AnbieterInnen und KundInnen kein gemeinsames Verständnis von Smart Buildings haben. Das erschwere wiederum künftige Vorhaben erheblich. GebäudeplanerInnen, ArchitektInnen und BetreiberInnen von Gebäuden stünden zudem aufgrund einer Vielzahl technischer Innovationen, konkurrierender Systeme und Lösungsanbieter vor großen Herausforderungen.

Katharina Mattes, mm1
Katharina Mattes, Manager & Lead IoT Chapter bei der Unternehmensberatung mm1: „Die Digitalisierung eines Gebäudes im Sinne eines Smart Buildings umfasst unter anderem auch Schnittstellen zu anderen Gebäuden, zum Energieversorger und optimalerweise auch die Einbindung in die Smart City. Um Interoperabilität zwischen verschiedenen Anwendungen zu ermöglichen, werden standardisierte offene Schnittstellen benötigt.“
© mm1

In bestimmten Punkten sind sich die meisten Konzepte jedoch einig: Ein intelligentes Gebäude beziehungsweise ein Smart Building dient vorrangig dazu, die Effizienz und den Komfort für den Betrieb und die Nutzer zu erhöhen. Erreicht wird dies mittels digitaler Steuerung, Vernetzung, Kontrolle und intelligenter Automatisierung der technischen Gebäudeausrüstung (TGA) sowie der damit verbundenen Datensammlung. Die Vernetzung ermöglicht es hierbei, dass zuvor unabhängig arbeitende Bereiche der technischen Gebäudeausrüstung – wie beispielsweise Gebäudesicherheit, Beleuchtung und Klimatisierung – miteinander kommunizieren und automatisiert interagieren können. Auch deren permanente Überwachung und Steuerung aus der Ferne spielt dabei eine Rolle. Im Gegensatz zu Smart Home umfasst Smart Building die Digitalisierung des gesamten Gebäudes.

Energie und Kosten sparen

Es gibt zahlreiche technische Anwendungsfelder, die sich mittels smarter Gebäude bedienen lassen. Allem voran können Energie und Kosten eingespart werden, indem beispielsweise Ressourcen wie Elektrizität, Gas und Wasser dem tatsächlichen Bedarf angepasst werden. „Die Temperaturmessung ist gang und gäbe, aber die Überwachung der Temperatur an jedem Schreibtisch und das Anpassen der Heizung und der Beleuchtung an die Anzahl der im Büro arbeitenden Personen ist eine größere Herausforderung“, sagt Marc Pégulu, Vice President und General Manager Wireless and Sensing Products Group bei Semtech.

Ein weiteres Merkmal smarter Gebäude ist, dass sich mithilfe unterschiedlicher Sensoren Zustands- und Nutzungsdaten erfassen lassen – wie Raumtemperatur, Anzahl von Personen im Raum oder Luftqualität. „Luftfeuchtigkeits- und CO2-Sensoren lassen sich zur Überwachung der Luftqualität am Arbeitsplatz einsetzen, um gleichzeitig auch die Energiekosten für Heizung und Klimaanlage zu minimieren. Angesichts steigender Energiekosten ist dies ein wichtiger Aspekt für Gebäudemanager und ein Treiber für den Umstieg auf ein intelligentes Gebäude“, sagt Pégulu.  Zusätzlich bieten die Daten die Möglichkeit, neue Anwendungen, Services und Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Doch das Thema Smart Building reicht weiter: Es geht nicht nur darum, Gebäude zu optimieren, sondern auch um die Vernetzung intelligenter Gebäude und ihrer technischen Infrastruktur zu einem größeren System. Beispielsweise bekommen Gebäude durch „Smart Metering“ (intelligente, vernetzte Verbrauchszähler) und die Vernetzung im „Smart Grid“ (intelligente Stromnetze) neben einem optimierten Eigenverbrauch die Möglichkeit, selbst zu Stromproduzenten zu werden und ihre Überschüsse ins Netz einzuspeisen.

Ewald Kern, ENQT
Ewald Kern, Consultant – Connectivity Solutions bei ENQT. Das Unternehmen bietet eigenentwickelte Messtechniklösungen für den Mobilfunk. Kern: „Bei der Planung sollte man immer mit einer guten Datengrundlage starten. Im Planungsprozess kann man, unter Beachtung der zukünftigen Nutzung, Funknetze simulieren und so teure Nacharbeiten in der Realisierung vermeiden. Generell bietet es sich an, direkt für alle Netze und Betreiber zu planen, also sowohl für Mobilfunk als auch für WLAN, DECT und andere Funknetze.“
© ENQT

„Im Rahmen der Digitalisierung werden Gebäude immer mehr zu integralen Bestandteilen von Geschäftsprozessen“, konstatiert Ewald Kern, Consultant – Connectivity Solutions beim Messtechnikanbieter ENQT. Ein großer Teil der Umsetzung findet dabei im Bestand statt, weshalb ein Nachrüsten von Sensoren, Aktoren und Steuerungselementen per Kabel mit viel Aufwand verbunden wäre. Die Anbindung mittels funkbasierter Sensoren liegt somit nahe. „Viele Gebäude werden zunächst ohne Vorbereitung für eine spätere Verkabelung zwischen Controller, Sensoren und Aktoren geplant. Aber selbst in den Fällen, in denen genügend Leerrohre zum Einsatz kommen, sind die Sensoren und Aktoren später womöglich an anderen Stellen, als ursprünglich vermutet“, sagt Michael Krödel, Professor für Gebäudeautomation und -technik an der Technischen Hochschule Rosenheim und Leiter des Instituts für Gebäudetechnologie (IGT). Funk sei daher in dieser Beziehung flexibler und günstiger. Und es ist absehbar, dass sich Trend zum Funk in den nächsten Jahren fortsetzen wird – unabhängig davon, ob es sich um Wohn- oder Gewerbeimmobilien handelt. „Denn überall bieten sich große Digitalisierungspotenziale. Gebäude ohne gute Anbindung fallen dabei zurück und erfordern in Zukunft hohe Investitionen, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, erklärt Ewald Kern weiter.

Unterscheiden müsse man laut dem Consultant einerseits zwischen Prozessen, die das Gebäude direkt betreffen, also zum Beispiel die Abrechnung von Verbrauchskosten, die Überwachung von Anlagen oder auch Sicherheitssystemen, sowie andererseits den Anwendungen der Nutzer.  Und in diesem Kontext müsse man dann wiederum zwischen Privat-, Gewerbe- und Industrienutzern unterscheiden, erklärt Kern. „Im privaten Bereich sehen wir aktuell eine hohe Nachfrage nach Smart-Home-Systemen und -Lösungen, die eine längere Nutzung der eigenen Wohnung durch ältere Bewohner ermöglichen, wie zum Beispiel Hausnotrufe.“ Im Bereich der Gewerbenutzung stehe hingegen eine breitbandige, zuverlässige Anbindung per Funk im Vordergrund. Im Bereich der Industrie sieht Kern, auch vor dem Hintergrund der Industrie 4.0, sehr große Projekte mit mehreren hundert Sensoren und Aktoren. „Bei all diesen Anforderungen spielen das Gebäude und die vorhandene Infrastruktur eine zentrale Rolle. Wer mietet schon eine Wohnung, in der nicht per Handy telefoniert werden kann? Welche Firma bezieht ein Büro, in dem keine Videokonferenzen möglich sind?“, gibt Ewald Kern von ENQT zu bedenken.


  1. Nicht kopflos kabellos
  2. Verschiedene Standards für unterschiedliche Anwendungen
  3. Die Herausforderungen
  4. Nicht blind planen

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