Consumer Electronics

Konsumenten und ihre Skepsis vor KI

6. April 2020, 16:00 Uhr | Autorin: Claudia Rayling / Redaktion: Alexandra Hose
© Sebastien Decoret/123rf

Aus dem zunehmend vernetzten Alltag sind weder Spracherkennung noch KI wegzudenken. Die Industrie gibt dieser Entwicklung recht. Doch wie gehen die Nutzer damit um? Jüngsten Studienergebnissen zufolge fühlen sich diese von der Industrie mit ihren Sorgen und Bedenken im Stich gelassen.

Licht anschalten, Raumtemperatur kontrollieren, Haushaltsvorräte automatisch nachbestellen und die Gesundheit überwachen: Smart Home, Sprachassistenten und Künstliche Intelligenz versprechen dieses Plus an Komfort, gekoppelt mit Sicherheit und Kostenersparnissen. Doch ein Problem gibt es dabei: Viele Verbraucher zeigen sich noch zruückhaltend, was vor allem den Einsatz von Künstlicher Intelligenz angeht. Dies legt zumindest eine aktuelle Studie von Ipsos im Auftrag des TÜV-Verbandes (VdTÜV) nahe. Wie die Recherchen der Marktforscher unter 1.000 Personen über 16 Jahren zeigen, würden mehr als 50 Prozent davon Abstand nehmen, in einem Smart Home zu leben, in dem eine KI zum Einsatz kommt. Diese Skepsis fußt insbesondere auf dem drohenden Kontrollverlust, den viele Verbraucher augenscheinlich befürchten. Hinzu kommt die Unsicherheit über die Verwendung, Weiterverarbeitung und Weitergabe persönlicher Daten.

Mehr Transparenz und Sicherheit beim Einsatz von KI gefordert
85 Prozent der Bundesbürger wollen, dass Produkte und Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz klar gekennzeichnet werden. Ebenfalls 85 Prozent sind der Meinung, dass KI-Produkte erst auf den Markt gebracht werden sollten, wenn ihre Sicherheit von unabhängigen Stellen überprüft wurde. Und 78 Prozent der Befragten sagen, dass der Staat Gesetze und Vorschriften zur Regulierung von KI verabschieden sollte. Das hat eine repräsentative Ipsos-Umfrage im Auftrag des TÜV-Verbands unter 1.000 Personen ab 16 Jahren ergeben.

 

Bedenken KI-Einsatz
Bedenken in Bezug auf den Einsatz von KI
© TÜV-Verband

Wer ist hier der Boss?
Machtlosigkeit und Abhängigkeit von der Technik – die Industrie sollte diese Befürchtungen ernst nehmen. Denn sie schlagen sich nicht nur in der Akzeptanz neuer Lösungen nieder, sondern letztlich auch in deren Integration in den Alltag. So würde beispielsweise nur jeder vierte der Befragten auf den Rat einer Künstlichen Intelligenz vertrauen, wenn es um den adäquaten Therapieansatz für eine gesundheitliche Behandlung geht. Nur jeder Fünfte würde einen Bewerber einstellen, den eine KI-Lösung vorschlägt.

Da stellt sich die Frage, wie hoch die Fehlerquote beim Einsatz von Lösungen, denen Künstliche Intelligenz innewohnt, eigentlich sein darf. Dies ist sicherlich abhängig vom damit verbundenen Risiko – dass autonome Fahrzeuge jederzeit tadellos arbeiten sollten, versteht sich von selbst. Doch bedeutet dies, dass die Künstliche Intelligenz mit dem Grad ihrer Reife an Akzeptanz beim Verbraucher gewinnen könnte? Nicht nur, denn vielen Nutzern fehlt es aktuell noch an Sicherheit und Transparenz.

Mehr Durchblick, bitte!
IFA und CES haben aber trotz Skepsis gezeigt, wie stark Künstliche Intelligenz bereits in den Produkten aus der Consumer- und Home-Electronics-Branche Einzug gehalten hat. Und oftmals sind die vielfältigen KI-Awendungen, die in den Produkten stecken, gar nicht bekannt. Meist laufen diese ganz unbemerkt im Hintergrund ab. So ist vielen Konsumenten beispielsweise nicht bewusst, dass für die Fotoqualität höherklassiger Smartphones das große Volumen an Referenzbildern verantwortlich ist, mit denen die optimalen Einstellungen für das aktuelle Motiv und die Lichtverhältnisse automatisch gewählt werden können. Und auch bei den Hausgeräten ist der Einsatz Künstlicher Intelligenz bereits an der Tagesordnung. So analysieren Waschmaschinen die Textilien, wählen das dazu passende Programm und ermöglichen dadurch ein Plus an Komfort sowie Einsparungen von Ressourcen wie Wasser, Waschmittel und Energie. Features, die wohl viele Verbraucher schätzen, über die sie aber auch offen informiert werden wollen. So zeigt die Befragung des TÜV-Verbandes, dass der Wunsch der Konsumenten nach Transparenz und Sicherheit groß ist. So fordern 85 Prozent der Studienteilnehmer, dass Anwendungen und Produkte, die mit KI-Technologie arbeiten, klar als solches gekennzeichnet sind und erst auf den Markt gebracht werden sollten, wenn ihre Sicherheit von unabhängigen Stellen geprüft wurde. „Der Ruf nach einer gesetzlichen Regulierung von Künstlicher Intelligenz wird lauter“, sagt Michael Fübi, Präsident des TÜV-Verbands (VdTÜV). „Beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz in sicherheitskritischen Bereichen gibt es erhebliche Regelungslücken. Immer dann, wenn Gefahren für die Gesundheit von Menschen oder deren elementare Grundrechte bestehen, sind klare Leitlinien für die Anbieter, Entwickler und Nutzer von KI-Anwendungen notwendig.“ Dies stehe auch im Zusammenhang mit den „menschlichen und ethischen Aspekten der Künstlichen Intelligenz“.

Hans-Joachim Kamp, gfu
Hans-Joachim Kamp, Vorsitzender des Aufsichtsrats der gfu: “Bei KI verhält es sich, wie bei vielen anderen neuen Technologien: Anfangs überwiegt die Skepsis. Erst wenn erkannt wird, dass der Nutzen größer ist und schwerer wiegt als die Bedenken, dann schlägt die Stimmung ins Positive um. KI wird ihren Weg gehen und in immer mehr Geräten einziehen. Die Geschwindigkeit der Verbreitung hängt vom Vertrauen ab, das die Konsumenten der Technologie entgegenbringen. Es liegt an uns, der Industrie, dieses Vertrauen nicht zu enttäuschen.”
© gfu

Ein entsprechendes Konzept sowie Rechtsvorschriften diesbezüglich stehen bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schon auf der Agenda. Dass Regulierungslücken geschlossen werden müssen und in diesem Zusammenhang ein Leitlinienkatalog für Anbieter, Entwickler und auch Endanwender notwendig ist, um die breite Akzeptanz der Öffentlichkeit zu gewinnen, darin sind sich viele Experten einig. Allerdings dürfe eine Regulierung auch dann nie auf Kosten von Innovationen erfolgen, so Fübi. Ein Weg, um dies zu vermeiden, stellt für den Verbandspräsidenten ein risikobasierter Ansatz dar. So müsse, seiner Meinung nach, nicht jede KI-Anwendung umfangreich getestet werden. Vielmehr komme es darauf an, zu eruieren, wie groß der Schaden wäre, den ein KI-System anrichten könne. Laut Fübi könnten unabhängige Prüforganisationen auch zur Einhaltung ethischer Standards ihren Beitrag leisten, indem sie die innerbetrieblichen Prozesse der Unternehmen überprüfen und zertifizieren. Hier braucht es also eine gute Portion Verhältnismäßigkeit, Differenzierungsvermögen und Taktgefühl, um die Risiken einzudämmen aber gleichzeitig die Entwicklung nicht zu bremsen.

Nur zweckgebundene Datenverarbeitung
Letztendlich kann Künstliche Intelligenz nur dann vollumfänglich reifen, wenn sie auch tasächlich genutzt wird und so in der Lage ist, dazuzulernen. So optimieren beispielsweise Staubsaugerroboter ihre Reinigungsergebnisse nur dann, wenn sie merken, dass an der einen oder anderen Stelle häufiger Krümel vom Tisch fallen, während Spracherkennung mit jedem kommunizierten Wort besser wird.

Doch die Erwartungen der Nutzer sind hoch und die Kluft zwischen Anspruch und Realität scheint oftmals noch breit. Und Dreh- und Angelpunkt des Erfolges der Künstlichen Intelligenz im täglichen Einsatz bleibt die Erlaubnis des Nutzers. Denn erst dann, wenn persönliche Informationen und Verhaltensmuster analysiert und zweckgebunden weiterverarbeitet werden dürfen, kann die Künstliche Intelligenz dem Verbraucher dienlich sein – und eine etwaige Skepsis kann einer größeren Akzeptanz weichen.


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