Digitalisierung im Handel

"Es muss zum Vertriebskonzept passen"

28. Mai 2021, 6:30 Uhr | Diana Künstler
Der Fuldaer Lebensmittelhändler Tegut bietet mit seinem digitalen Selbstbedienungsladen "Teo" auf einer Verkaufsfläche von 50 Quadratmetern 950 Produkte des täglichen Bedarfs an. Der Zugang erfolgt per App. Die Produkte können direkt am Regal gescannt werden. Bezahlt wird ebenfalls per App oder am Bezahlterminal.
© tegut… gute Lebensmittel GmbH & Co. KG; Björn Friedrich

Vom klassischen Webshop über Angebote für das kontaktlose Bezahlen bis hin zur ganzheitlichen Vision einer "intelligenten Filiale" – wie der Retail bereits heute, aber auch mit Blick auf die Zukunft, von der Digitalisierung profitieren kann.

Die Corona-Pandemie hat das Leben (und Arbeiten) aller auf den Kopf gestellt. Was gestern noch als selbstverständlich galt – ungezwungen mit Freunden und Familie treffen, einkaufen und reisen ohne Einschränkungen, Freizeit- und Kulturaktivitäten in großen Gruppen –, ist derzeit auf Eis gelegt. Wir harren im Standbymodus mit der Hoffnung auf bessere Zeiten. Hoffnung allein sichert jedoch nicht das Einkommen und so waren im letzten Jahr viele gezwungen, sich umzuorientieren oder bewährte Geschäftsabläufe mitunter radikal anzupassen. Besonders die Händler, ob systemrelevant oder nicht, wissen davon zu berichten.

So gaben einer März-Umfrage zufolge 96 Prozent der Klein- und Kleinstunternehmer an, ihr Geschäft sei von der Corona-Pandemie betroffen. Auch wenn die Erhebung nur einen Ausschnitt der Realität liefern kann, da die Ergebnisse auf einer Befragung des Finanztechnologie-Anbieters Sumup unter 864 seiner Kunden beruht, finden sich darin viele Erkenntnisse, die sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf die Branche allgemein anwenden lassen: Demnach waren kleinere Anpassungen bei mehr als jedem zweiten Händler notwendig, damit überhaupt Einkünfte während der letzten Monate und verschiedenen Lockdown-Phasen verbucht werden konnten. 28 Prozent der befragten Händler erweiterten ihre Zahlungsmöglichkeiten – zum Beispiel via Rechnungen, QR-Codes oder auch Zahlungslinks – und jeder Dritte bot den Kauf von Gutscheinen an. Fast ein Viertel startete mit einem Onlineshop und 21 Prozent offerieren den Kunden nun auch Click & Collect, also das Abholen einer Online-Bestellung in einem stationären Einzelhandelsgeschäft. "Trotz der schwierigen Situation, die die Corona-Pandemie nach wie vor mit sich bringt, verlieren viele Klein- und Kleinsthändler ihre Kreativität und ihren Optimismus nicht und haben sich auf die Situation mittlerweile ganz gut eingestellt", resümiert Alexander von Schirmeister, Executive Vice President Europe bei Sumup. Retail-Branchenkennerin Xenia Giese von Microsoft ergänzt: "Händler sind ja, was auch gut ist, pragmatisch. Die verschiedenen Social-Media-Kanäle, auf denen die Person an sich eventuell schon vertreten ist, bieten sich natürlich auch ein Stück weit an, sich darüber mitzuteilen und zu vernetzen. Was wir verstärkt sehen, sind Lösungen, die ein Verkaufen auch ohne physische Fläche ermöglichen, wie beispielsweise Webshops oder mobile Shops und Apps. Dann geht es auch darum, wie man möglichst berührungsfrei, also kontaktlos, den Einkauf gestalten kann. Viele Händler unterstützen das mit Self Scanning oder Self Check-out."

Individuelle Bezahlmöglichkeiten bringen das Geschäft voran

Sondererhebung-Payment EHI Retail
Eine Milliarde weniger Einkäufe wurden im vergangenen Jahr mit Bargeld bezahlt als im Vorjahr. Das geht aus einer Studie des Kölner Handelsforschungsinstituts (EHI) hervor. Insgesamt gingen damit 28 Milliarden Euro Bargeld weniger über die Ladentheken als noch 2019. Der große Gewinner der Krise ist die Girocard: Die Umsätze mit Girokarten an den Einzelhandelskassen übertrafen laut EHI 2020 erstmals die Barzahlungen. Aber auch Kreditkarten werden immer öfter gezückt. Eine untergeordnete Rolle spielt hingegen noch das Bezahlen mit dem Smartphone.
© EHI Retail Institute

Und die Veränderungen scheinen Früchte zu tragen. Trotz der Umstände wirken sich die Anpassungen auf das Geschäft für viele – Kunden wie auch Händler – positiv aus, weshalb fast jeder zweite Klein- und Kleinsthändler diese auch zukünftig beibehalten will. So sagen drei Viertel der Befragten, dass sie in der für sie so schwierigen Zeit aufgrund von Geschäftsanpassungen und erweiterten Bezahlangeboten zusätzliche Kunden gewonnen hätten. 19 Prozent geben an, dass der Umsatz pro Kunde nun höher ist. 54 Prozent sind der Meinung, dass auch bargeldlose Zahlungsmöglichkeiten ihr Geschäft voranbringen. Dabei überzeugt jeden Zweiten vor allem die praktikablere und einfachere Handhabung im Vergleich zum Bargeld. 23 Prozent sind der Meinung, dass der Verzicht auf Cash zudem viel hygienischer sei – ein Aspekt, der gerade in der aktuellen Zeit für Händler wie auch Kunden wichtig ist. 18 Prozent schätzen die einfachere Buchhaltung, während sechs Prozent digitale Zahlungsarten als sicherer im Vergleich zu Bargeld einstufen.

"Generell wird der Wunsch nach individuelleren Einkaufsmöglichkeiten zunehmen – und auch der Wunsch nach alternativen Bezahlmethoden", führt Udo Müller, CEO von Paysafecard, aus. „Und da spielte kontaktloses Bezahlen im letzten Jahr natürlich eine verstärkte Rolle. Es gab vor einiger Zeit ja auch eine große Diskussion zur Bargeldnutzung in Zeiten von Corona.“ Diese Diskussion habe sich inzwischen zwar wieder etwas gelegt, dennoch hätten laut einer Studie des Bezahlanbieters vom April 2020 drei Viertel der Deutschen im Monat vor der Befragung kontaktlos bezahlt. Allerdings sahen auch 52 Prozent der Befragten weiterhin Bargeld als das verlässlichste Zahlungsmittel in einer Krisensituation. "Auch dies zeigt den Wunsch nach individuellen Bezahlmöglichkeiten. Dies wird sich sicherlich in Zukunft fortsetzen", ist Udo Müller überzeugt.

Neben dem kontaktlosen Bezahlen, etwa mit Karte oder durch eine App auf dem Smartphone, das Händler mittlerweile neben den altbewährten Methoden anbieten sollten, tut sich auch einiges in Sachen Online-Bezahlung. „Wir sehen aktuell besonders eine wachsende Beliebtheit etwa von Digital Wallets und von E-Cash“, sagt Müller. Mit E-Cash- beziehungsweise Prepaid-Lösungen würden sich die Vorteile von Bargeldzahlung auch online nutzen lassen. Besonders wichtig sei Kunden in dem Zusammenhang momentan der Aspekt, dass sie bei Prepaid-Lösungen ihre Bank- oder Kontodaten nicht angeben müssten. "Gerade jetzt, wo die Sorge vor Online-Betrug groß ist, schätzen dies viele Nutzer. Weitere Vorteile sind, dass auch Kunden, die kein Bankkonto haben, diese Bezahlart nutzen können, und dass man damit seine eigenen Ausgaben gut kontrollieren kann", so der Paysafecard-CEO.

Kommentar: Pay as you want

Felix Hohagen, Paysafecard
Udo Müller, CEO von Paysafecard, einem Anbieter von E-Cash-Zahlungsmöglichkeiten
© Paysafecard

Udo Müller: "Wir erleben alle gerade eine beschleunigte Digitalisierung – das ist fast schon zum geflügelten Wort geworden. Viele Menschen kommunizieren inzwischen tagtäglich über Video Call und Chat – sei es im Homeoffice oder auch privat. Und natürlich erfahren viele Branchen wie der Handel gerade tiefgreifende Veränderungen. Geschäfte waren oder sind im Lockdown geschlossen und viele Leute haben deshalb im letzten Jahr vermehrt online eingekauft – und wollen dies teilweise auch nach Corona beibehalten. Eine internationale Studie von Paysafe vom April 2020 zeigte etwa, dass knapp ein Drittel der deutschen Verbraucher zu Zeiten von Corona wesentlich mehr online einkaufte. 27 Prozent planen das auch nach der Pandemie so beizubehalten. Und immerhin 18 Prozent der deutschen Kunden kauften während Corona das erste Mal überhaupt online ein. Dies bringt einerseits Chancen für Händler mit sich, wie etwa ihre Angebote im Laden und online stärker zu verzahnen. Gleichzeitig haben sicherlich viele Einzelhändler auch Sorge, ob ihre Kunden wieder zu ihnen zurückkehren. Deshalb ist es jetzt umso wichtiger, Kunden das bestmögliche Einkaufserlebnis zu bieten. Dazu gehört auch eine möglichst große Bandbreite an Bezahlmöglichkeiten. Ich kann aus Erfahrung sagen, dass diese aktuell sehr oft angefragt werden. Die Gründe dafür sind unter anderem, dass es eben einige neue Kunden im E-Commerce-Bereich gibt, und dass Leute aktuell auch verstärkt bei Händlern einkaufen, die sie noch nicht kennen. Deshalb wollen Kunden besonders sichere Bezahloptionen."


  1. "Es muss zum Vertriebskonzept passen"
  2. Kleine Schritte statt großer Sprung
  3. Der autonome Laden

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