30 Jahre KNX

Eine Gemeinschaft, ein Standard, ein Spirit

23. März 2021, 6:42 Uhr | Autor: Stefan Adelmann
Andreas Kobold, Leiter Product Management Smart Home & Smart Building bei Gira: "Das Konkurrenzdenken stand zurück hinter der Vision, mit gemeinsamen Anstrengungen und gemeinsam finanzierter Entwicklungsarbeit einen Markt zu erschließen, der damals noch in nur sehr bescheidenen Ansätzen vorhanden war."
© Gira

Die Entwicklung einer übergreifenden Technologie hat selbst direkte Wettbewerber zusammengebracht: Eine gemeinsame Vision, die KNX laut Andreas Kobold von Gira in den vergangen Jahrzehnten zum Erfolg machte. Er sieht das System gegen die wachsende Konkurrenz stark und zukunftssicher aufgestellt.

Smarthouse Pro: Mehr als 30 Jahre KNX – Herr Kobold, rückblickend, mit welcher Intention wurde der Standard in den 90er Jahren ins Leben gerufen?

Andreas Kobold: Mit KNX – das anfangs auch „Instabus“ oder „EIB“ hieß – sollte ein herstelleroffenes System zur Steuerung von Gebäudefunktionen geschaffen werden. Das Besondere daran war das gemeinsame Vorgehen von Industrieunternehmen, die im Bereich der Elektroinstallation in einem direkten Wettbewerb standen – und heute immer noch stehen:  Gira, Berker, Jung, Merten und Siemens, die 1990 die EIBA gegründet hatten. Doch das Konkurrenzdenken stand zurück hinter der Vision, mit gemeinsamen Anstrengungen und gemeinsam finanzierter Entwicklungsarbeit einen Markt zu erschließen, der damals noch in nur sehr bescheidenen Ansätzen vorhanden war.

Smarthouse Pro: Ein ambitioniertes Ziel. Wie bewerten Sie aus heutiger Sicht die Entwicklung der Technologie über die vergangenen drei Jahrzehnte hinweg? Ist KNX heute dort, wo es vor drei Jahrzehnten hin sollte?

Kobold: Auf jeden Fall – und sogar noch ein Stück weiter als die Gründerväter sich das seinerzeit hätten träumen lassen. Heute ist KNX ganz eindeutig ein Welterfolg: Über 500 Hersteller gehören zu diesem Netzwerk mit mehr als 8.000 intelligenten Produkten und zertifizierten KNX-Komponenten. Etwa 93.000 System-Integratoren und geschulte KNX-Spezialisten installieren, parametrieren und programmieren Lösungen für die vernetzte Gebäudeautomation im Smart Building. Über cloudbasierte Dienste wie IFTTT oder Conrad Connect sind zudem Schnittstellen zum Internet möglich, das 1990 ja erst begann, sich als World Wide Web durchzusetzen. Was damals keiner ahnen konnte: Mittlerweile lässt sich das IoT problemlos in KNX einbinden, wodurch sich der Funktionsumfang erheblich erweitert. Insgesamt ist es so, dass die Gemeinschaft der Hersteller auch heute noch den Standard weiterentwickelt und auf die Anforderungen reagiert, die sich durch neue Bedürfnisse des Marktes ergeben. Dabei ist eine Kompatibilität zu den Produkten aus den Anfangszeiten noch immer sichergestellt. Rückblickend haben wir also noch den gleichen Spirit und die gleiche Motivation wie die Gründerväter.

Smarthouse Pro: Hängt diese positive Entwicklung auch mit dem Marktgeschehen zusammen, hat die allgemeine Aufmerksamkeit für das Thema Smart Home beziehungsweise Smart Building KNX in den letzten Jahren nochmals einen Schub gegeben?

Kobold: Absolut! Was zu Beginn nur ein paar Technikbegeisterte interessiert hat, ist heute längst in den breiten Markt vorgedrungen. Wohnkomfort, mehr Sicherheit, Energieeinsparmöglichkeiten, Wohnen im Alter, Werterhalt von Immobilien – das sind Aspekte, die Bauherren und Renovierer in Erwägung ziehen, wenn sie sich für ein Smart Home entscheiden. Ein Problem bringt dieser Hype aber mit sich, was KNX betrifft: Viele der in Elektronikmärkten angebotenen Produkte lassen keine gewerkeübergreifende Vernetzung zu, sondern sind lediglich isolierte Insellösungen. KNX dagegen ist eine Systemlösung, die viele Anwendungen zur Verfügung stellt – von Beleuchtungs- und Jalousiesteuerung über Heizungs- und Klimasteuerung bis hin zu Sicherheitsfunktionen, Entertainment und Energiemanagement: vernetzt und leistungssicher in einem System.

Smarthouse Pro: Sie haben einen wichtigen Aspekt angesprochen, der technologische Wettbewerb ist deutlich gewachsen. Mittlerweile gibt es zahlreiche Systeme und Standards auf dem Markt. Wie soll und kann sich KNX hier behaupten?

Kobold: Wie gerade schon angedeutet: Mit einer ganzheitlichen und auf gelebten Standards basierenden Lösung. Zum einen kann KNX hier mit sehr vielen Produkten unterschiedlichster Hersteller punkten. Der Endkunde macht sich also nicht von einem einzigen Hersteller abhängig, sondern kann sicher sein, dass er immer passende Produkte für seinen speziellen Anwendungszweck aus verschiedensten Bereichen findet, die sich in das System integrieren lassen. Zum anderen spielt auch das Thema Langlebigkeit dabei eine Rolle, KNX ist mit über 30 Jahren bereits sehr lange am Markt. Bei allen funktionalen und systemischen Erweiterungen wurde der Standard aber stets so weiterentwickelt, dass eine Kompatibilität auch noch zu Produkten aus den 1990ern sichergestellt ist. Ich denke, diese Durchgängigkeit, die ganzheitliche Lösung und die Investitionssicherheit machen den entscheidenden Unterschied zu anderen Standards aus.    

Ein Grundstein  wird gelegt

KNX, ohne Frage einer der technologischen Wegbereiter des Smart Home- und Smart Building-Bereichs, durfte im vergangenen Jahr sein mittlerweile 30. Jubiläum begehen. 1990 hatten sich mehrere Hersteller in der European Installation Bus Association (EIBA) zusammengeschlossen, um einen anbieterunabhängigen Standard für den Einsatz von Bustechnologien im Rahmen der elektrischen Installationstechnik und der Gebäudetechnik auf den Weg zu bringen. Sie wollten einen Wildwuchs an geschlossenen, proprietären Systemen vermeiden. Unter den federführenden Mitgliedern befanden sich Berka, Gira, Jung, Merten und Siemens. Ab 1996 folgte der Standardisierungsprozess der Konnex-Bus getauften Technologie, um die Jahrtausendwende dann der offizielle Startschuss der KNX Association, in der sich mittlerweile 500 Mitglieder mit über 8.000 Produkten und 95.000 Partnern formieren. Während KNX zu Beginn vor allem für Objektbauten entwickelt wurde, kommt die Technologie mittlerweile auch in Wohngebäuden zum Einsatz. Der Standard sieht sich im Smart- Home- sowie im Smart-Building-Umfeld aber zusehends starkem technologischen Wettbewerb gegenüber. Bis zur Entwicklung von KNX RF konnten sich vor allem kabellose Lösungen im Nachrüstgeschäft etablieren, Unterputzinstallationen hatten hier hingegen oft das Nachsehen. Und auch Sicherheit und Datenschutz standen lange Zeit in der Kritik, da der Standard weitestgehend unverschlüsselt über die Leitungen kommuniziert. Die Association hat jedoch auf diese Schwachstelle mit der Entwicklung von KNX Secure reagiert, das sich wiederum in KNX IP Secure sowie KNX Data Secure aufschlüsselt. Während Ersteres für Sicherheit von KNX-Daten in IP-Netzen sorgen soll, schützt Letzteres die Daten auf dem KNX-Bus selbst. Trotz der stetigen Weiterentwicklung wurden zuletzt aber Zweifel laut, ob KNX zukunftssicher ist und sich gegen den starken Wettbewerb vor allem seitens der US-amerikanischen Digitalkonzerne behaupten kann. Die KNX-Anbieter verweisen hingegen auf die Unabhängigkeit (auch von Cloud-Infrastrukturen), die Stabilität, die lange Historie, sowie die Vielfalt des Angebots. Vor allem die Gemeinschaft der Hersteller soll KNX auch weiterhin von proprietären Insellösungen abheben. 

 


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