Streit in Berlin

Die ungewisse Zukunft der IFA

12. Juli 2022, 13:00 Uhr | Autor: Stefan Adelmann
© Messe Berlin

Im Spätsommer wird die IFA wieder wie gewohnt in Berlin ihre Tore öffnen. Doch die Zukunft der Messe steht aktuell unter keinem guten Stern. Es gibt Unstimmigkeiten zwischen dem Veranstalter Gfu und der Messe Berlin. Bleibt die Traditionsveranstaltung in Berlin – oder überhaupt in Deutschland?

Seit fast 100 Jahren gehört die IFA zu Berlin wie der Alexanderplatz oder der ikonische Fernsehturm. 1924 noch als „Große Deutsche Funkausstellung“ gestartet, mauserte sie sich über die Dekaden zur globalen Leitmesse für Consumer- und Home Electronics. Doch kurz vor dem Jubiläum hängen schwarze Wolken über dem Funkturm und die Frage im Raum, wie und vor allem wo es für die Großveranstaltung weitergeht. Dabei gäbe es dieser Tage allen Grund zur Freude, immerhin soll die Aussteller-Nachfrage nach zwei pandemiebedingt schwierigen Jahren hoch sein, zwei Drittel der „Top-Aussteller“ der IFA hatten ihre Teilnahme bis Mitte Mai bereits bestätigt, viele Hersteller fiebern dem kommenden September entgegen. 

Die IFA im Laufe der Zeit

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Von der Vorfreude bleibt in Anbetracht des hinter den Kulissen tobenden Streits aber nur wenig übrig. Denn Erfolg weckt auch Begehrlichkeiten und der Zeitpunkt für mögliche Änderungen ist zugegebenermaßen gut. Immerhin läuft der Vertrag zwischen dem IFA-Veranstalter Gfu und der Messe Berlin nach der IFA 2023 aus. Und was danach kommt, ist aktuell mehr als ungewiss. Denn die Pläne der Gfu, Inhaber der IFA-Markenrechte, sorgen für erhebliche Unstimmigkeiten unter den langjährigen Partnern. Die Messe Berlin soll laut einem Beitrag des „Tagesspiegel“ künftig nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, rein als Vermieter des Berliner Messegeländes agieren. Stattdessen könnte die britische Clarion Events zusammen mit der Berliner Gesellschaft Aquila als Mitveranstalter einspringen, sie bilden zusammen mit der Gfu ein neu gegründetes Konsortium.

Personalwechsel

David Ruetz und Kai Mangelberger
David Ruetz und Kai Mangelberger bilden die neue Doppelspitze der IFA. Sie sollen gemeinsam die kommenden Monate bis zur Messe überbrücken. Wie es danach weitergeht, steht noch nicht fest.
© Messe Berlin

Die Messegesellschaft wäre somit nur noch Erfüllungsgehilfe, ihr würden beträchtliche Einnahmen entgehen, während die unternehmerischen Chancen ausschließlich auf der Seite des Konsortiums liegen – im Gegensatz zu möglichen Risiken. Entsprechend wenig begeistert äußerte sich die Messe Berlin zu den Plänen. Die Verhandlungen der beiden Lager sind festgefahren – selbst ein Abschied der IFA aus Berlin scheint mittlerweile denkbar, sollte keine Einigung möglich sein. Doch diese ist fraglich, da es zudem zu allerlei fragwürdigen Maßnahmen kam, die nicht folgenlos blieben. So wurde vor wenigen Wochen IFA-Direktor Jens Heithecker bei der Messe Berlin freigestellt. Er arbeitete über 20 Jahre für das Unternehmen und prägte die Messe in den vergangenen Jahren maßgeblich mit. Doch er soll laut Medienberichten Insider-Informationen an den ehemaligen Messe-Chef Christian Göke weitergegeben haben, Experten hätten entsprechende belastende Nachrichten sichergestellt. Brisant: Göke ist maßgeblich in das Konsortium rund um die Gfu involviert.

Es bleibt nicht die einzige personelle Folge. Laut einem Bericht des „Tagesspiegel“ wurden kürzlich zudem zwei Aufsichtsräte der Messe Berlin abberufen und IFA-Direktor Dirk Koslowski musste wohl ebenfalls gehen. Auch ihm wird die Zusammenarbeit mit dem Konsortium zur Last gelegt. An die Stelle von Koslowski und Heithecker treten nun David Ruetz und Kai Mangelberger. Es scheint eine Lösung aus der Not heraus, immerhin sind die beiden Manager zwar in der Messebranche etabliert, im Bereich der Consumer- und Home Electronics jedoch Neulinge. Sie müssen so kurz vor der Messe somit ganz auf die Erfahrung ihrer Teams bauen. Nichtsdestotrotz zeigen sich die Verantwortlichen wider die Turbulenzen positiv gestimmt: „Die IFA kommt im September stark zurück“, erklärte Martin Ecknig, CEO der Messe Berlin, begeistert. Mit David Ruetz und Kai Mangelberger habe man ein starkes Führungs-Duo an die Spitze gesetzt, das zusammen mit dem IFA-Team den Countdown in den nächsten Monaten gut begleiten werde.

Wenige Alternativen

Doch wie geht es über diese Monate hinaus weiter? Man sei laut Ecknig bereit, „als global bedeutendste Messe für Consumer und Home Electronics dem Restart der Branche eine angemessene Bühne zu bereiten.“ Doch das Drama um die Zukunft der Funkausstellung wirft seinen Schatten nicht nur auf die IFA 2022, sondern bereits auf die gesamte Traditionsmarke. Nur zwei Jahre vor dem hundertjährigen Jubiläum unter dem Funkturm steht für die IFA viel, wenn nicht sogar alles in Frage. Wer werden künftig die treibenden Kräfte der Messe? Und bleibt sie tatsächlich in Berlin? Zumindest ist ein Umzug innerhalb Deutschlands mehr als fraglich. Aufgrund ihrer Größe und ihrer internationalen Ausrichtung bringt die IFA infrastrukturelle Anforderung mit sich, die kaum eine hiesige Messestadt abbilden kann. Aber selbst vor einer internationalen Ausschreibung will sich die Gfu wohl notfalls nicht verschließen, wie Aufsichtsrat Volker Klodwig gegenüber der „FAZ“ erklärte.

Berlin ohne IFA, Deutschland ohne IFA – es wäre ein gewagter Schritt der Gfu, denn ob die vielen Aussteller diesen Weg ebenfalls mitgehen würden, ist zumindest in einigen Fällen zweifelhaft. Ob sich aber andererseits für den Streit noch ein gutes Ende finden lässt, ist ebenso fraglich. Die beiden Fronten sind verhärtet, die Interessen könnten wohl nicht weiter auseinander liegen.

Zuletzt kam jedoch etwas Bewegung in den Fall. So soll sich Christian Göke laut Medienberichten aus dem Konsortium zurückgezogen haben. Dieser Schritt wird als positives Signal gedeutet und könnte den Weg frei machen für einen Kompromiss der beiden Parteien. Eine Einigung rund um die Messe und die wertvolle Marke liegt aber noch längst nicht auf dem Tisch. Die Zukunft der IFA ist und bleibt dieser Tage also weiterhin mehr als ungewiss.

Hinweis der Redaktion: Der Artikel stammt vom 24.06.2022.

Die letzte IFA in Berlin?
Während für die Zukunft alles in Frage steht, scheint zumindest die IFA 2022 in trockenen Tüchern. Nach zwei pandemiebedingt turbulenten Jahren sieht es für die bevorstehende Messe aktuell gut aus. Laut den Veranstaltern haben schon zwei Drittel der Top-Aussteller zugesagt, sie planen demnach, ihre Produkte und Services in ähnlichem Umfang wie 2019 zu präsentierten. Zudem haben globale Einzelhandelskonzerne bestätigt, dass sie in Berlin sein werden, um beim Restart der Branche dabei zu sein. Für sie ist die IFA laut der Messe eine wichtige Plattform und die erste Gelegenheit seit mehr als zwei Jahren, sich mit Marken umfänglich auszutauschen, Innovationen zu diskutieren und eine stabile Lieferkette vor der wichtigsten Einkaufssaison des Jahres sicherzustellen, so die Messe Berlin. „Ein September ohne IFA ist einfach nicht dasselbe. Wir von Electrolux freuen uns auf die Rückkehr der Messe – und damit auf die perfekte Plattform, um unsere nachhaltigen Innovationen zu präsentieren“, sagt Michael Geisler, Geschäftsführer DE/AT bei Electrolux Hausgeräte. Im schlimmsten Fall könnte die IFA in diesem Jahr jedoch die letzte in Berlin sein, wie der „Tagesspiegel“ schreibt. Demnach sei die Gfu bereit, den Vertrag sogar vor 2023 zu lösen, sollte der Streit mit der Messe Berlin weiter eskalieren.

 

 


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